Mit der Gemeindegebietsreform, wie sie am 1.1.1969 in Bayern eingeleitet wurde, sollte vor allem eine Verwaltungsreform erreicht werden. Die Vielzahl kleiner Gemeinden sollte verringert und eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung dadurch erreicht werden. Tatsächlich wurde die Zahl der selbständigen Gemeinden von 7073 auf 2030 verringert.
Für die Gemeinden am Ampermoos, Wildenroth, Unteralting und Kottgeisering sahen die Regierung von Oberbayern und die Landkreisbehörde den Zusammenschluss zur neu zu bildenden Gemeinde Grafrath als vorgezeichnete Lösung. Wildenroth und Unteralting vollzogen, (noch in der freiwilligen Phase), am 1.7.1972 die Fusion. In Kottgeisering ergab die Abstimmung hierzu am 7.3.1972 ein 5:4 gegen die Eingemeindung. Traditionsbewusst hoffte man, wenn auch mit geringer Mehrheit, gegen die Zielplanung der übergeordneten Behörden und im Vertrauen auf den Artikel 11 (2) der Verfassung des Freistaates Bayern, die Selbständigkeit erhalten zu können.
In den zurückliegenden acht Jahren hatte die Gemeinde im Rahmen ihrer Möglichkeiten (und die Zahlen im Gemeindehaushalt bewiesen es), große Anstrengungen für eine zeitgemäße Entwicklung unternommen. Eine zentrale Wasserversorgung wurde geschaffen, der Ausbau der Straßen war getätigt und mit der Abwasserbeseitigung war man weiter voran als in manchen Randbezirken der Landeshauptstadt. Es gab demnach keine zwingenden Gründe, des öffentlichen Wohls, für eine zwangsweise Fusion. Das wussten auch jene, die sich nicht länger als Kottgeiseringer bezeichnen lassen wollten. Sie taten ihrerseits die nötigen Schritte, um die Umgemeindung zu erreichen. Man ging auch mit Listen von Haus zu Haus und warb für die Umgliederung. Die Gemeinde war geteilt in Gegner und Befürworter eines Zusammenschlusses. Da man bei der Regierung von Oberbayern den Widerstand spürte, den die kleine Gemeinde am Ampermoos wagte, legte sie mit ihrer Zielplanung vom 21.11.1975 im wahrsten Sinn des Wortes die Karten auf den Tisch. Darauf war die Gemeindefläche Kottgeiserings in etwa auf die Größe während der Römerzeit zusammenschnitten. Es war nicht schwer zu begreifen, dass eine solche Maßnahme für die Restgemeinde als nächsten Schritt, wegen mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit das "Aus" bringen sollte.
Die Nachbargemeinde Grafrath, der man die abzutretenden Flächen zuzuweisen gedachte, wäre, bei ihrem Gerangel mit der Gemeinde Türkenfeld um den Verwaltungssitz in der Verwaltungsgemeinschaft, dadurch einen großen Schritt voran gekommen. Mit einem Abstimmungsergebnis von 10:3 entschied der Kottgeiseringer Gemeinderat am 29.12.1975 gegen diese Regelung. In einer Eingabe an die Regierung von Oberbayern erklärte man sich bereit zum Eintritt in eine Verwaltungsgemeinschaft mit der Gemeinde Grafrath und Schöngeising, lehnte aber die Gebietsabtretungen als unbegründet ab. Dass die Regierung von ihrer Absicht, Kottgeisering von der Landkarte zu tilgen, nicht abrückte, kam in der RVO vom 12.4.1976 zum Ausdruck, indem darin die Zielplanung vom 21.11.1975 festgeschrieben war.
Gegen diese, als Willkür empfundene Regelung, zog der Gemeinderat unter Zuhilfenahme eines Anwaltsbüros am 16.3.1977 mit einem Normenkontrollantrag vor den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Man hoffte, mit diesem Verfahren und einer sachlich fundierten Begründung, der Gemeinde zu ihrem Recht verhelfen zu können. Das Bayerische Staatministerium des Innern hatte sich jedoch in seiner Stellungnahme vom 10.10.1977 der RVO vom 12.4.1976 inhaltlich angeschlossen und die Landesanwaltschaft Bayern angewiesen, den Normenkontrollantrag der Gemeinde Kottgeisering als unbegründet abzuweisen. Damit war schon im Vorfeld eine, für die Antragstellerin negative Entscheidung gefallen und die für den 24.10.1977 anberaumte Ortsbesichtigung nur eine Pflichtübung. In der für den 28.10.1977 festgesetzten mündlichen Verhandlung vor dem V. Senat des Bay. Verwaltungsgerichtshofes kam es zur Zurücknahme des Normenkontrollantrags.
Man hatte durchblicken lassen, dass selbst im Fall des Obsiegens die Auflösung der Gemeinde nicht auszuschließen sei und empfohlen, den Antrag zurückzuziehen. Wieder stand die Drohung mit der Auflösung der Gemeinde im Hintergrund. In dieser Situation sah nun die Gemeinde Grafrath ihre Stunde gekommen und nutzte die Chance. Mit einem Normenkontrollantrag und ihrem Rechtsbeistand zog sie nun ihrerseits vor den V. Senat des Bay. Verwaltungsgerichtshofes, forderte die Eingemeindung der Gesamtgemeinde Kottgeisering und rannte mit ihrer Klage offene Türen ein. Es schien der Zeitpunkt gekommen, die 1200jährige Geschichte dieses Ortes abzuschließen, weil dringende Gründe des öffentlichen Wohles, dies erfordern. So steht es jedenfalls in der Grafrather Klageschrift.
War es zuviel verlangt, was die Kottgeiseringer wollten? Ein wenig Selbstbestimmung und den Erhalt des, von einem bajuwarischen Edeling abgewandelten Ortsnamens. Um auch letzte Rechtsmittel auszuschöpfen für den Erhalt der Gemeinde, zog man am 22.3.1978 mit einer Popularklage gegen den Freistaat Bayern vor den Bay. Verfassungsgerichtshof. Als auch dieser Weg nicht zum Ziel führte und alle Anstrengung vergebens schien, zeigte sich plötzlich ein Silberstreif am Horizont der Eigenständigkeit. Mit einer, wie es hieß, sinnvollen Korrektur der Gemeindegebietsreform wollte man vermeiden, dass zwangsweise vereinigte Gemeinden auf Jahrzehnte in Unfrieden miteinander hätten leben müssen. Im Rahmen dieser Korrektur verlor Kottgeisering zwar ca. 30 Hektar Gemeindefläche und musste 105 Einwohner in die Nachbargemeinde entlassen. Das Ziel war erreicht, die Selbständigkeit, die bereits verloren schien, blieb erhalten. Sieben zermürbende Jahre für Bürgermeister Ludwig Kratz und seinen Gemeinderäten waren überstanden.